Vorsprung Frankfurt - NABU fordert engagierten Artenschutz bei der Energiewende

NABU fordert engagierten Artenschutz bei der Energiewende

Hessen
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Der NABU begrüßt die Ankündigung für ein neues Hilfsprogramm für Arten, die durch Windkraftanlagen in Mitleidenschaft gezogen werden können, durch die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) und den Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne).

„Jetzt brauche es aber einen schnellen Beginn der Schutzmaßnahmen, ausreichend Geld und Personal“, so Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen.
Als Sofortmaßnahme müsse das Land kurzfristig auf eigene Grundstücke und vorhandenes eigenes Personal zugreifen. „Was spricht gegen ein sofortiges 1.000-Manschetten-Programm im Staatswald, um Rotmilan-Horste besser zu schützen?“, erklärt Eppler. Mit solchen Manschetten könnten etwa zwei Drittel aller hessischen Rotmilan-Bruten vor Räubern wie dem Waschbär geschützt werden. Pro Forstamt müssten dafür nur etwa 25 Bäume von Förstern mit Manschetten ausgerüstet werden. Da sei wichtig, weil der Rotmilan vor allem mit dem Problem eines zu geringen Fortpflanzungserfolgs konfrontiert ist. NABU-Studien aus dem Vogelsberg und aus Waldeck-Frankenberg hätten gezeigt, dass der Bruterfolg in den letzten 20 Jahren um rund 25 Prozent zurückgegangen ist.

Das liege vor allen an zwei Faktoren: Dem Fraßdruck bei Jungvögeln durch Prädatoren und dem Nahrungsmangel. „Das Nahrungsangebot muss mit einer deutlichen Vermehrung von Lebensraumstrukturen in den Feldern verbessert werden. Dazu gehören Heckenzüge, Waldinseln, Feldraine und intakte Säume“, erläutert Eppler. Hier gebe es verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung. Wichtig sind, so der NABU, klare gesetzliche Vorschriften zur „guten fachlichen Praxis“, mehr finanzielle Anreize über das Agrarumweltprogramm (HALM) und eine deutliche Steigerung der Mittel für den Vertragsnaturschutz. Den Ansatz, die Biodiversitätsberatung für Landwirte zu verbessern, begrüßt der NABU. „Der qualifizierten Beratung von Landwirten für eine artenschutz-optimierte Bewirtschaftung kommt eine große Bedeutung zu. Wir brauchen aber mindestens einen staatlichen Berater pro Landkreis, um deutliche Effekte erzielen zu können“, so Eppler. Zudem gelte es, Gifte in der Landwirtschaft durch ein umfassendes Pestizidreduktionsprogramm deutlich zu verringern. Den bedrohten Vogelarten sollte auch genügend Frühlingsruhe durch einen generellen Verzicht von Forstwirtschaft und Jagd rund um die Horste in der Brutzeit gegeben werden.

In der Umsetzung der Artenschutzprogramme seien klare Handlungsaufträge des Landes von großer Bedeutung, um für alle von der Windkraft betroffenen Tierarten langfristig einen „guten Erhaltungszustand“ herzustellen. Dafür reiche es nicht aus, nur eine öffentlichkeitswirksame Bündelung ohnehin vorhandener Maßnahmen vorzunehmen, die den Artenrückgang schon bislang nicht stoppen konnten. Es müsse klar definiert werden, wer in welchen Landesteilen in welchen Zeiträumen die Aufgabe zur Umsetzung konkreter Artenschutzmaßnahmen übertragen bekomme. Für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen bedürfe es zudem dringend der Expertise und Einbeziehung von kompetenten Artberatern.

In den landeseigenen Wäldern könne das Land bereits kurzfristig mehr Flächen für den Artenschutz durch Wildnisentwicklung bereitstellen. Das Naturwälder-Entwicklungsziel in der Hessischen Biodiversitätsstrategie von 5 Prozent der Waldfläche sei ohnehin noch nicht erreicht (erst 3,9 Prozent). So würden dauerhafte Ruhezonen für störungsempfindliche Arten wie den Schwarzstorch entstehen und dicke, alte Bäume, die die schweren Horste von Storch und Greifvögeln wie dem Wespenbussard auch langfristig tragen können. Aktuell seien noch etwa 50 Prozent der Schwarzstorch-Bruten auf künstliche Plattformen angewiesen. Unbewirtschaftete Wälder kämen auch mehreren von Windkraftanlagen bedrohten Fledermausarten wie dem Großen und Kleinen Abendsegler, Rauhaut-, Bechstein- und Mopsfledermaus zugute. Einige brauchen eine Vielzahl von alten Höhlenbäumen, um mit ihrer „Wochenstube“ zur Jungenaufzucht alle paar Tage umzuziehen zu können. „Die Wohnungsnot im Wald ist genauso groß wie in Frankfurt“, beklagt Eppler.

Der NABU begrüßt die vom Land geplante Bündelung der Artenschutzprogramme in festgelegten Maßnahmenräume in allen hessischen Landesteilen. In diesen Räumen sollen Schutzmaßnahmen künftig prioritär umgesetzt werden und mit Ausgleichsgeldern aus dem Bau von Windkraftanlagen in der Region finanziert werden. „Damit fließen immerhin 5 Prozent der Vorhabenkosten beim Bau neuer Anlagen in konkrete Naturschutzmaßnahmen“ erläutert Eppler. Die von der Landesregierung geplanten Maßnahmenräume sollen mit insgesamt 80.000 Hektar doppelt so groß sein wie die Vorranggebiete für Windkraftanlagen. Damit hält der NABU Hessen eine naturverträgliche Energiewende für möglich. Das bisherige Ziel, Windenergieanlagen auf 2 Prozent der Landesfläche zuzulassen und 98 Prozent windkraftfrei zu halten, sei für die Vorkommen der Arten dann verkraftbar, wenn anderswo außerhalb der Windkraftgebiete ihre Bestände wirksam und dauerhaft gefördert würden. Dazu gehöre auch eine fachlich hochwertige Erfolgskontrolle mit einer regelmäßigen Kontrolle der Bestände in definierten Untersuchungsräumen. Es gelte, die Bestandszahlen regelmäßig professionell zu erfassen, um fundierte Aussagen über die Bruterfolge und die Erhaltungszustände treffen zu können.

Hintergrundinformationen
Die neuen Artenhilfsprogramme sind Teil einer Strategie der Landesregierung, artenschutzrechtliche Genehmigungen beim Bau von Windkraftanlagen zu erleichtern, damit innerhalb der 2-Prozent-Vorrangräume für Windenergie neue Anlagen zügiger gebaut werden können. So soll der seit mehreren Jahren stockende Ausbau der Windkraft in Hessen beschleunigt werden. Zu den Erleichterungen gehören auch Ausnahmen vom Tötungsverbot von Einzeltieren. Der NABU Hessen hat zur Bedingung für solche Ausnahmegenehmigungen gemacht, dass parallel umfassende Artenhilfsprogramme für die von der Windkraft bedrohten Arten aufgelegt werden. Ausnahmen vom Tötungsverbot könne es nur geben, wenn der Erhaltungszustand der jeweiligen Arten in der Region als günstig zu beurteilen sei und die getroffenen Schutzmaßnahmen erwiesenermaßen funktionierten. Aus NABU-Sicht kann von einer naturverträglichen Energiewende deshalb nur dann gesprochen werden, wenn die Populationen der betroffenen Tierarten in einen guten Erhaltungszustand gebracht und dauerhaft gesichert werden.



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