Vorsprung Frankfurt - Small-Talk auf dem Plaudersofa

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Das Interieur stammt zu großen Teilen aus der Regentschaft Herzog Adolphs von Nassau. Ähnliche alte Raumausstattungen deutscher Residenzschlösser haben die letzten Kriege nur selten überstanden. Ins Auge fallen die Möbel dem Besucher nicht gleich. Stattdessen fangen raumfüllende Wandmalereien, kostbare Holzböden und meterhohe Kachelöfen den Blick ein. Nach und nach erst findet man im Wiesbadener Stadtschloss zu den Möbelstücken. Es überrascht uns ein rundes Samtsofa, auf dem Gespräche nur eingeschränkt möglich sind, da die Gesichter voneinander weggedreht sind. Besser geeignet für vertrauliche Unterhaltungen ist da schon die zweisitzige, leicht gerundete Causeuse, auf der die Sitzenden einander zugewandt sind. Gleich beide Optionen bietet das vergoldete „Schwiegermuttersofa“ mit drei Plätzen nebeneinander und zwei leicht abwinkelten Ecksitzen.

Die ausgefeilten Möbelentwürfe sind in der Zeit um 1840 vom damals angesagten Mainzer Möbelfabrikanten Anton Bembé gefertigt worden, der sich nach Erhalt des herzoglichen Großauftrags unverzüglich nach Frankreich aufmachte, um den Pariser Möbelschick zu studieren. Der Einblick in die Werkstätten der französischen Konkurrenz ist nicht kostenlos, das ist ihm klar. Darum hat er sich etwas – zugegeben – besonders Delikates einfallen lassen: „Ein mitgebrachtes Reh in zwey Theile verschnitten, eingeweicht in einigen Dutzend Flaschen Rheinwein öffneten mir die mir sonst schon befreundeten Herzen meiner Collegen, die den ersten Platz hier einnehmen in der Decorationswelt und führten mich dahin, wo kein Fremder hindringen würde.“

Zurückgekehrt mit dem neu erworbenen Spezialwissen, richtet Bembé, ausgestattet mit einem stattlichen Budget, je eine Zimmerflucht für den Herzog und seine Frau nach der neuesten Mode ein. Empfangssalon, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Boudoir, Bad, Ankleidezimmer – die Liste der auszustattenden Räume ist lang. Gut für einen Möbelmacher. Das Wissen um die raffiniertesten Möbelkreationen allein reicht jedoch nicht aus, wie der erfolgreiche Fabrikant weiß. Erst zusammen mit erlesenen Wandmalereien, aufwändigen Stuckaturen, kostbaren Wandbespannungen, Vorhängen und Bodenbelägen entsteht ein überwältigender Raumeindruck. Die Möbel sind Teil eines Gesamtkunstwerks, das den Wohlstand, die Eleganz und die Weltläufigkeit der adeligen Familie repräsentiert.

Viele der Möbel von damals sind auch heute noch im Originalzustand im Wiesbadener Stadtschloss zu bewundern, das nach Plänen des Architekten Georg Moller von 1837 bis 1841 durch Hofbaumeister Richard Görz erbaut wurde. Und obwohl manche dieser Gebrauchskunstwerke ihrem zweihundertsten Geburtstag entgegenblicken, sind sie nicht in ein Archiv verbannt oder mit Seilen abgesperrt. Seit ihrer Ankunft am herzoglichen Hofe waren sie durchweg im täglichen Gebrauch. Vom kaiserlichen Hofstaat Kaiser Wilhelms II. während seiner Kuraufenthalte, von Angehörigen des Militärs nach den beiden verlorenen Weltkriegen als Verwaltungssitz oder heutzutage für Staatsbesuche und festlichen Anlässe des Hessischen Landtages genutzt, stehen sie eben nicht nur dekorativ im Raum herum, sondern sind immer auch Orte und Anlässe für Gespräche.

Wenn das Stadtschloss nicht, wie derzeit, saniert wird, besuchen annähernd 50.000 Gäste jedes Jahr das Anwesen im Zentrum der hessischen Landeshauptstadt. Und manch einer macht während einer kurzen Sitzprobe schnell noch ein Selfie mit den besten Freunden auf dem kleinen runden Samtsofa. Das Interieur hat seine Faszination nie verloren und ist ein häufig geliktes Motiv in den sozialen Netzwerken. Der herzoglichen Familie hätte das sicher gefallen.

Foto: Chaiselongue. Quellenangabe: Hessischer Landtag/Heibel
Foto: Tischfuß mit Sesseln im Hintergrund. Der Tisch steht im Präsidentensalon und ist Zeuge vieler Gespräche. Quellenangabe: Hessischer Landtag
Foto: Blick in den Gelben Salon. Der Blick in den Salon ist momentan wegen der Bauarbeiten im Schloss leider nicht möglich. Quellenangabe: Hessischer Landtag/Heibel



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