Vorsprung Frankfurt - Ausstellung „Distant Bodies Dancing Eyes“

Ausstellung „Distant Bodies Dancing Eyes“

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Vom 9. bis zum 11. Juli 2021 widmet sich die Schirn Kunsthalle Frankfurt dem Musikvideo als künstlerischem Genre und verbindet Kunstbetrachtung mit dem besten Sound der lokalen Clubszene.

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Die Ausstellung „Distant Bodies Dancing Eyes“ präsentiert zeitgenössische Musikvideo-Kunst an acht Orten in Frankfurt und Offenbach. Ein Sommer-Wochenende lang sind die Besucherinnen und Besucher eingeladen, endlich wieder von Club zu Club zu ziehen und im GIBSON CLUB, HAFEN 2, KUNSTVEREIN FAMILIE MONTEZ, NACHTLEBEN, ROBERT JOHNSON, SILBERGOLD, TANZHAUS WEST sowie im YACHTKLUB ausgewählte Musikvideos von 25 internationalen Künstlerinnen und Künstlern auf großer Leinwand und in optimaler Soundqualität zu erleben.

Alle gezeigten Musikvideos sind aktuelle Produktionen der letzten zwei Jahrzehnte, das älteste stammt aus dem Jahr 2004. Die Ausstellung präsentiert Künstlerinnen und Künstler, die überwiegend mit den Medien Fotografie und Videokunst arbeiten, darunter u. a. Doug Aitkens, Phil Collins, Gabriela Friðriksdóttir, Arthur Jafa, Carsten Nicolai, Laure Prouvost & Ciarán Wood, Wolfgang Tillmans, Kara Walker und Ari Marcopoulos oder Colin Whitaker. Nicht selten enthalten die zur Musik entwickelten Filme Elemente aus ihrem künstlerischen Schaffen und lassen die jeweilige Handschrift wiedererkennen. Musikalisch liegt der Fokus besonders auf R’n’B, Pop und elektronischen Stücken. Besonders in den 1980er-Jahren wurden Musikvideos durch Sender wie MTV bekannt, setzten eine Vielzahl an kreativen Impulsen und führten Kunstschaffende aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. In den letzten Jahren trugen vermehrt bildende Künstlerinnen und Künstler die bewegten Bilder zur Musik bei. Hier spiegelt sich auch das gewachsene Interesse an Video und Sound in der Kunst der Gegenwart sowie die enge Verbindung und gegenseitige Aufmerksamkeit von Musik- und Kunstschaffenden. Die Musikvideos in der Ausstellung stellen soziale Konflikte und Umbrüche ins Zentrum des Geschehens, entwerfen geheimnisvolle Orte und utopische Szenarien, befragen zeitliche, räumliche und körperliche Konstanten oder dringen tief in menschliche Gefühlswelten ein. Unter übergeordneten Themen wie Utopia, Love, Gender, Social Conflict, Social Exclusion, Technology, Humanity oder Science Fiction sind an den beteiligten Ausstellungsorten jeweils drei Videoarbeiten zu sehen, die in einem freien Rundgang besucht werden können.
Die Ausstellung wird unterstützt von der Stadt Frankfurt am Main und den SCHIRN ZEITGENOSSEN.

Matthias Ulrich, Kurator der Ausstellung, erläutert: „Das Musikvideo hat sich gerade in den letzten Jahren als Medium für künstlerische Kollaborationen und Experimente etabliert. Über die mediale Reichweite hat es zudem das Potenzial verschiedene Generationen zu erreichen oder (Sub-) kulturen global zu verbinden. Ausgewählte Werke nun in einem dreitägigen Festival der Musikvideo-Kunst in Frankfurter Clubs zu erleben, ermöglicht neue Perspektiven auf diese interdisziplinäre Kunstform und lenkt gleichzeitig das Augenmerk auf die aktuell noch immer fehlende Clubkultur.“

CLUBS UND WERKE DER AUSSTELLUNG IN DER ÜBERSICHT

GIBSON CLUB
In der Frankfurter Innenstadt bietet der Gibson Club seit 2012 ein breites musikalisches Spektrum von Urban Music über House bis hin zu HipHop und R’n’B. Hier ist im Rahmen der Ausstellung die Arbeit des Fotografen Ryan McGinley (*1977, Ramsey, New Jersey, USA) zu sehen, der zu Sigur Rósʼ Varúð (2012) ein traumhaft-utopisches Porträt von Manhattan schafft. Utopische Spiegelungen zeichnet auch Colin Whitaker (*1980, Portland, Maine, USA) in seinem Musikvideo zu Paradise (2017) von Anohni. Zwischen gefärbten Überblendungen in die Natur und Archivaufnahmen aus dem legendären New Yorker Club Paradise Garage verkörpert Model und Künstlerin Eliza Douglas mit direktem Blick in die Kamera Anohnis Stimme. Weiterhin zeigt die Schirn hier das Video von Jacolby Satterwhite (*1986, Columbia, South Carolina, USA) zu Sound of Rain (2019) von Solange.

HAFEN 2
In Offenbach ist das ursprünglich als Zwischennutzung eines alten Lokschuppens der Hafenbahn eingerichtete Kulturzentrum Hafen 2 inzwischen eine feste Einrichtung direkt am Main, wo in familiärer Atomsphäre Live-Konzerte und House-Partys neben Cafébetrieb, Programmkino u.v.m. stattfinden. Die Schirn präsentiert hier das Video zu Leonard Cohens posthum erschienenen Moving On (2020) von Laure Prouvost (*1978, Lille, Frankreich) unter Mitarbeit von Ciarán Wood (*1988, Liverpool, UK). Darin folgt die Kamera den Gedanken des Musikers an eine vergangene Liebe auf die griechische Insel Hydra und in die Zeitlosigkeit der Erinnerung. Um Verlust und die gleichzeitige An- und Abwesenheit einer geliebten Person geht es auch in der Arbeit von Doug Aitkens (*1968, Redondo Beach, Kalifornien, USA) zu Someone Great (2007) von LCD Soundsystem. Für die New Yorker Konzeptband entwickelte er einen Clip, in dem zwischen alltäglichen, vergrößerten Details die Erinnerung als Schatten ein zurückliegendes Leben durchläuft. Ebenfalls gezeigt wird das Video von Tony Oursler (*1957, New York, USA) zu David Bowie’s 2013 erschienenem Song Where Are We Now? – eine Hommage an das Berlin der 1970er-Jahre.

KUNSTVEREIN FAMILIE MONTEZ
Eine weitere Station ist der Kunstverein Familie Montez im Osthafen, dessen vielfältiges Programm Ausstellungen, Vorträge, Filmprogramme, Performances, die Jazz-Montez-Konzerte und legendäre Partys umfasst. Zum fließenden Sog des Stücks Life Guarding (2020) arrangiert der Fotograf und Musiker Wolfgang Tillmans (*1968, Remscheid, Deutschland) seine bekannten Aufnahmen von männlichen Körpern in Collagen und verbindet sie mit Sequenzen eines Wassertropfens auf einer heißen Herdplatte und von anbrandenden Meereswellen. Elizaveta Porodina (*1987, Moskau, Russland) übersetzt die Musik von Mavi Phoenix’ Song Boys Toys (2019) in schwarz-weiße Bildsequenzen, in deren Mittelpunkt eine geschlechterdurchlässige Sängerin steht, die aus dem Wasser hervorkommt. Für das Video zu Sweet Days of Discipline (2020) arbeitet die Künstlerin und Musikerin Johanna Odersky (*1993, Karlsruhe, Deutschland) alias Iku mit der befreundeten Künstlerin Nadia Perlov (*1990, Tel Aviv, Israel) zusammen. Mit Fischaugenlinse filmt die Kamera die Sängerin als feenartige Gestalt auf einer blumigen Bergwiese in einer märchenhaft anmutenden Inszenierung.

NACHTLEBEN
Das Nachtleben im Zentrum Frankfurts ist seit 1993 für seine Rock-, Pop-, Indie- und Underground-Partys sowie Live-Konzerte im Untergeschoss bekannt. In gewohnt schwarz-weißen Bildern inszeniert Anton Corbijn (*1955, Strijen, Niederlande) zum Song Talk (2005) die Band Coldplay als Besatzung eines Raumschiffs, die auf einem schwarzen Planeten landet und einem riesigen Roboter begegnet. Thomas Draschan (*1967 Linz, Österreich) arbeitet in seinem Video zu A Blood Sample (2004) von Losoul mit Found Footage, das er mit Klängen und Text des Songs verwebt. Der Zusammenschnitt von Werbetrailern für modische Accessoires mit Bildern von Planeten und biochemischen Formeln beschwört eine nahende Zukunft und ein kollektives Begehren, das mit dem Einzug von TV-Geräten ins heimische Wohnzimmer der 1970er-Jahre auflebt. Zudem wird hier die Arbeit future past perfect pt. 03 (u_08-1) (2009) von Carsten Nicolai (*1965, Chemnitz, Deutschland) präsentiert.

ROBERT JOHNSON
Ab 16 Jahren
Das nach dem legendären Bluesmusiker benannte Robert Johnson in Offenbach eröffnete 1999 und zählt mit seinem erstklassigen Soundsystem zu den besten Electroclubs der Welt. Von eindringlicher Sprengkraft ist das hier gezeigte Musikvideo von Arthur Jafa (*1960, Tupelo, Mississippi, USA) zu Kanye Wests Song Wash Us In The Blood (2020). Jafa kombiniert Video-Footage aus den sozialen Medien zu einem brutalen Mix von rassistischer Gewalt und dem ghettoisierten Leben auf der Straße, in dem gefährliche, PS-laute Autoakrobatik, Bandenrivalitäten und das rauschhafte Treiben von Rap und Hip-Hop miteinander verschmelzen. Eine Schlacht liefern sich auch mit Müll verkleidete und bewaffnete Kinder im Video von Jon Rafman (*1981, Montréal, Kanada) zu Oneohtrix Point Nevers Song Sticky Drama (2015). Auf Selbstausbeutung in der Musikbranche macht Santigold mit ihrem Album 99¢ aufmerksam. Das Video zu ihrem Song Banshee (2016) zeigt die Musikerin mit einem Schild auf dem Gehweg von New Yorks Galerienviertel in Chelsea mit der Aufschrift „Will Work for Blood“ oder „Will Blood for Work“. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Fotografen und Filmemacher Ari Marcopoulos (*1957, Amsterdam, Niederlande), der Regie führte, und der Künstlerin Kara Walker (*1969, Stockton, Kalifornien, USA), in deren Atelier ein Großteil des Videos spielt und die Sängerin und die Künstlerin in Walkers charakteristischen Scherenschnitten von verschiedenen Figuren heimgesucht werden.

SILBERGOLD
In Frankfurt ist das Silbergold, bekannt für seine hervorragende Musikanlage und Lichtgestaltung, besonders bei Elektrobegeisterten beliebt und spielt neben Techno und House auch Indie, Soul oder Drum’n’Bass. Nina Könnemanns (*1971, Bonn, Deutschland) Videoarbeit zu Tocotronicsʼ Ich will für dich nüchtern bleiben (2013) porträtiert einen älteren Mann, der in einem Club Flaschen einsammelt und die Reste der Party zusammenfegt. Ihr Film zeigt seinen täglichen Kampf ums Überleben nicht als Anklage, sondern ist eine Studie über Stolz und Vorurteil im neoliberalen Zeitalter. Um soziale Ausgrenzung geht es auch in Home To You (2020) von Cate Le Bon, zu dem der Künstler Phil Collins (*1970, Runcorn, UK) den Film drehte. Er porträtiert das von Armut geprägte Leben einer Roma-Gemeinschaft in einer verfallenen Plattenbausiedlung des Viertels Luník IX in Košice im Osten der Slowakei. Zudem präsentiert die Schirn hier das Video von Roger Ballen (*1950, New York, USA) zu I Fink U Freeky (2012) von Die Antwoord.

TANZHAUS WEST
Das 2003 auf dem Gelände der ehemaligen Druckfarbenfabrik Dr. C. Milchsack gegründete Tanzhaus West ist einer der angesagtesten Elektroclubs der Stadt. Die Schirn zeigt hier das Video der Filmemacherin Loretta Fahrenholz (*1981, Starnberg, Deutschland) zu Kim Gordons Sketch Artist (2019), in dem sie die Sängerin als Chauffeurin des Fahrdienstes „Unter“ mit glamourösem Augen-Make-up inszeniert, deren elektrisierender Blick während der nächtlichen Fahrt die Menschen auf der Straße in Ekstase versetzt und zu Fall bringt. Ein seltsames Eigenleben entwickelt in future past perfect pt. 03 (u_08-1) (2009) von Carsten Nicolai (*1965, Chemnitz, Deutschland) alias Alva Noto ein Getränkeautomat an einer einsamen nächtlichen Straße in Tokio. Zu gesprochenen Zahlencodes, die in schneller Abfolge auch auf dem Display erscheinen, blinken die Tasten und die einzelnen Getränkefächer im Takt der Musik. Ebenfalls zu sehen ist hier Sigur Rós’ Song Ég Anda (2012) mit dem Film von Ragnar Kjartansson (*1976, Reykjavík, Island).

YACHTKLUB
Am südlichen Mainufer legt im Sommer der Yachtklub an und lädt zu Café, Bar, Kulturprogramm und besonderen Clubnächten am Wasser. In der Ausstellung begegnet man hier dem Musikvideo von Gabriela Friðriksdóttir (*1971, Reykjavík, Island) zu Björks Where Is the Line (2005), das erstmals auf der Biennale in Venedig 2005 präsentiert wurde. In einem mit Stroh beladenen Stall inszeniert sie die Sängerin als sagenhaftes Wesen und entwirft eine mythologische Version der Geburt Jesu. In Allison Schulniks (*1978, San Diego, Kalifornien, USA) Video zu dem Song Ready, Able (2009) von Grizzly Bear sind indes Knetfiguren in ständiger Metamorphose begriffen. Sie leben wie Blumen oder Waldgeister in der Natur oder verziehen das Gesicht wie von Edward Munch gemalt. Zudem ist hier Phil Collins’ (*1970, Runcorn, UK) Arbeit zu Shatter (2014) von Golden Teacher zu sehen.
Die Ausstellung wird unterstützt durch die SCHIRN ZEITGENOSSEN, einen Kreis privater Förderer junger Kunst an der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Die Schirn dankt Jan Bauer und Lena Wallenhorst, Oliver und Nicole Behrens, Olaf Gerber und Nicole Emmerling de Oliveira, Markus Hammer und Birgit Heller, Hartmuth und Lilia Jung, Shahpar Oschmann, Björn und Kim Robens, Jörg Rockenhäuser und Vasiliki Basia, Reiner Sachs und Brigitta Bailly sowie Julia Schönbohm und Ralf Böckle für ihr Engagement.

Foto: Loretta Fahrenholz, „Sketch Artist“, 2019, HD video, color, 3.44 min., Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Cologne/New York



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