Vorsprung Frankfurt - Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie" im Jüdischen Museum

Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie" im Jüdischen Museum

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Von Gott zu Quentin Tarantino: Eine außergewöhnliche Ausstellung widmet sich erstmals dem Topos „Rache" in der jüdischen Kulturgeschichte. Die abwechslungsreich inszenierte Schau wird von einem umfangreichen Katalog, einem Podcast, einem Artist-in-Residence-Programm in Kooperation mit „DAGESH.Jüdische Kunst" im Kontext und einer Film- und Gesprächsreihe begleitet.

Die Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie" spannt einen kulturgeschichtlichen Bogen von biblischen Geschichten über rabbinische Schriften, jüdische Legenden und judenfeindliche Mythen bis hin zu jüdischen Gangs in US-amerikanischen Großstädten. Ihren Ausgangspunkt bilden populärkulturelle Erzählungen, in denen Machtlosigkeit durch die Intervention übermächtiger Figuren oder Akte von Selbstermächtigung überwunden wird. Ihren Fluchtpunkt stellen letzte Zeugnisse der Ermordeten und die Frage der Gerechtigkeit nach der Schoa dar.

Ausstellung und Begleitprogramm eröffnen eine Plattform für die Auseinandersetzung mit Emotionen und Überlieferungen, die von der jüdischen Erfahrung antisemitischer Gewalt gezeichnet sind und diese zugleich – jenseits etablierter Rollenvorstellungen oder Versöhnungserwartungen – zu überwinden suchen. Sie halten sich dabei an das Selbstverständnis jüngerer Jüdinnen und Juden in Deutschland, die die eigene Geschichte nicht ausschließlich als Opfererzählung verstanden wissen und eine Position zwischen Bedrohung und Empowerment beziehen wollen.

„Rache. Geschichte und Fantasie" präsentiert historische Dokumente und Fotos, Werke der bildenden Kunst und zeitgenössische Auftragsarbeiten, zeremonielle Gegenstände, Hand- und Druckschriften, grafische Literatur sowie Sound-, Film- und Videoarbeiten in einer szenischen Ausstellungsarchitektur.

Der Rundgang beginnt mit einer Requisite aus Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds". Es folgen bildliche Darstellungen der biblischen Figuren Judith und Samson, zeremonielle Gegenstände, religiöse Zeugnisse sowie rabbinische Schriften, die unter anderem den Bibelvers „Auge um Auge, Zahn um Zahn" als Formel für angemessenen Schadensersatz auslegen. Das Zerrbild dieser Interpretation, der christliche Mythos des rachsüchtigen Juden und die auf ihn folgenden Pogrome finden hier ebenfalls Erwähnung.

Das sich anschließende Kapitel widmet sich den jüdischen Legendenfiguren Lillith und Golem sowie der Überlieferung von den Rächern der Endzeit, den Roten Juden. Ihm steht ein Exkurs über die Geschichte jüdischer „Outlaws" zur Seite, der auf Räuberbanden des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, jüdische Piraten während des Kolonialismus und jüdische Gangster in den USA im 20. Jahrhundert eingeht. Die Ausstellungsarchitektur kulminiert in einem Raum, der sich den letzten Wünschen der Ermordeten und der Realität jüdischer Racheakte während und unmittelbar nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft widmet. Neben den Attentaten von David Frankfurter und Herschel Grynszpan werden hier auch die Pläne der Gruppe um Abba Kovner sowie die Selbstjustiz der Jewish Brigades thematisiert.

Mit der eigens beauftragten Drei-Kanal-Videoinstallation von Daniel Laufer findet der Rundgang seinen Abschluss. Der sich anschließende Archivraum mit Büchern, Graphic Novels, Computerspielen und Fernsehserien ermöglicht weitere Auseinandersetzungen und lädt zu Begegnungen unter anderem mit fünf Künstlerinnen und Künstlern ein, die im Rahmen von zweiwöchigen Residencies die Ausstellung kommentieren und weiterentwickeln.

Das umfangreiche Begleitprogramm umfasst Gesprächsabende etwa mit der Chefhistorikerin von Yad Vashem, Prof. Dina Porat, dem Rechtsanwalt Achim Doerfer und dem Philosophen Fabian Bernhardt über ihre jüngst zum Thema erschienenen Bücher sowie eine Diskussionsveranstaltung mit dem wissenschaftlichen Netzwerk „3G. Positionen der dritten Generation nach Zweitem Weltkrieg und der Shoah in Literatur und Künsten der Gegenwart". Eine eigene Filmreihe in Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut und Filmmuseum, die Lea Wohl von Haselberg kuratiert hat, ein Jewish Gangster Song-Abend mit dem Musiker Shantel und ein Sommerfestival mit Comic-Workshops, kulinarischen Exkursionen, besonderen Führungen und Musik ergänzen das Programm.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Podcast mit sieben Folgen und ausgewählten Gesprächspartnern wie dem Musiker Daniel Kahn oder dem Regisseur des preisgekrönten Kurzfilms „Masel Tov Cocktail", Arkadij Khaet. Ein ansprechend gestalteter, im Hanser-Verlag erschienener Katalog in deutscher und in englischer Sprache mit Essays von bekannten Autorinnen und Autoren wie Christina von Braun, Laura Jockusch oder Admiel Kosman komplettiert die Ausstellung um die erste Anthologie zum Thema Rache in der jüdischen Kulturgeschichte.

Ausstellung und Begleitprogramm wurden von den Kuratoren Erik Riedel und Janis Lutz sowie der Direktorin des Jüdischen Museums Prof. Mirjam Wenzel in Zusammenarbeit mit dem Lyriker und Publizisten Max Czollek konzipiert. Die Ausstellungsentwicklung begleitete ein wissenschaftlicher Beirat, dem Deidre Berger, Prof. Alfred Bodenheimer, Prof. Doron Kiesel, Rabbiner Julien-Chaim Soussan und Prof. Rebekka Voß angehören. Die Realisierung ermöglichte eine großzügige Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes und die Art Mentor Foundation Lucerne.

Bilder zum Download und weitere Informationen zur Ausstellung finden sich im Presse-Bereich auf der Website des Jüdischen Museums.



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