Am 4. Dezember steht jede Tunnelbaustelle still, denn an diesem Tag feiern Mineure ihre Schutzheilige, die heilige Barbara. So auch auf der Baustelle für die Verlängerung der Stadtbahnlinie U5 ins Europaviertel. Bereits zum dritten Mal feiern die Tunnelbauer, der bergmännischen Tradition folgend, einen Gottesdienst in der Baugrube in der Europa-Allee.
Im Rahmen einer ökumenischen Andacht sprechen Harald Stuntebeck und Matthias Weber von „Pax und People – Kirche im Europaviertel“ das Vaterunser und tragen Fürbitten für die Mineure und ihr Vorhaben vor. Anschließend segnen sie die Statue der heiligen Barbara, die dann wieder am Eingang der Tunnelröhren aufgestellt wird, um den Tunnelbauern auch weiterhin Schutz zu gewähren.
Franziska Reichenbacher, ist beim Gottesdienst vor dem Eingang zu „ihrem“ Tunnel auch vor Ort. Ein Tunnel trägt bis zur Fertigstellung traditionell den Namen der Patin, so heißt er im Moment noch „Franziska Tunnel“. Seit 2019 begleitet sie die Arbeiten und besucht regelmäßig die Baustelle und den Tunnel. „Es ist wirklich beeindruckend, was die Männer unter Tage leisten und obwohl riesige Maschinen und große Erdmassen bewegt werden, muss es am Ende dennoch passgenau, präzise, einfach perfekt sein. Es ist für mich immer wieder schön, wenn ich meine Jungs treffe und vor allem freue ich mich, wenn es allen gut geht“, sagt die Tunnelpatin. Direkt nach dem Gottesdienst eilt sie ins Fernsehstudio, denn wie jeden Samstag hoffen die Zuschauer ihrer Sendung auf ihr Glück.
Mit dem erfolgreich abgeschlossenen maschinellen Tunnelvortrieb für die zweite Tunnelröhre wurde im Projekt ein wichtiger Zwischenmeilenstein erreicht. Der Vortrieb verlief ohne Setzungen und Hebungen und zeigt, dass maschineller Tunnelbau in Frankfurt gut funktioniert. Doch auch nach Abschluss des maschinellen Vortriebs brauchen die Tunnelbauer weiterhin den Schutz der heiligen Barbara, denn zwölf Meter unter dem Platz der Republik werden in der Südröhre aktuell die letzten Meter bis zum Bestandsbauwerk – hier wendet die U5 aktuell – nun in bergmännischer Bauweise sozusagen mit Hammer und Pike und Kleingerät hergestellt. Das Besondere dabei ist, dass die Tunnelbauer unter Druckluft arbeiten: Indem ein Luftdruck erzeugt wird, der dem Druck des von außen anstehenden Grundwassers entspricht, dringt kein Wasser in den Arbeitsbereich ein. Mithilfe eines Tunnelbaggers wird der anstehende Boden Abschlag für Abschlag in kleinteiligen Arbeitsschritten entfernt. Anschließend wird der entstandene Hohlraum mit Bewehrungsmatten aus Stahl und Spritzbeton, der sogenannten Außenschale gesichert, bevor der nächste Abschlag ausgebrochen wird. So entsteht nach und nach der Tunnel bis zur Betonwand des Bestandsbauwerks. Insgesamt arbeiten 28 Tunnelbauer im 24/7-Schichtbetrieb.
In der Nordröhre wird derzeit die Druckluftschleuse eingebaut, eine technisch komplexe Arbeit. Sobald die Schleuse betriebsbereit ist, wird zunächst das 72 Tonnen schwere Schneidrad unter Druckluft aufwändig zerlegt. Anschließend kann ebenfalls mit dem bergmännischen Tunnelvortrieb begonnen werden. Alle Beteiligten hoffen für die noch ausstehenden bergmännischen Tunnelbauarbeiten unter Druckluft auf Unfallfreiheit und ein weiterhin sicheres Vorankommen – gerne mit Barbaras Hilfe.