Vorsprung Frankfurt - Ginnheimer Spargel soll wieder öffentlich zugänglich werden

Ginnheimer Spargel soll wieder öffentlich zugänglich werden

Ginnheim
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Wer auf Frankfurts höchstes Dach will, muss 237 Meter mit dem Aufzug fahren. Einige Schritte noch durch eine Stahltür, dann steht man auf einem asphaltgrauen Rund von etwas mehr als 50 Metern Durchmesser, der Wind pfeift leicht. Der Ausblick vom Dach der Kanzel des Ginnheimer Spargels auf das Rhein-Main-Gebiet ist einzigartig, höher liegen nur die markanten sieben untertassenförmigen Antennenplattformen darüber.

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Wenn es nach den Plänen der Eigentümerin Deutsche Funkturm geht, sollen in den künftigen Jahren das Dach und die darunterliegenden zwei Publikumsetagen wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Rückblende: 1999 musste der Turm für den Besucherverkehr geschlossen werden. Das von 1974 bis 1979 errichtete Bauwerk genügte nicht mehr den Brandschutzanforderungen. Die Diskothek und das Restaurant in den unteren beiden Stockwerken der Kanzel mussten schließen. Seitdem nutzt die Muttergesellschaft Deutsche Telekom den Turm nur noch technisch. Verbindungen des Richtfunks und der Mobiltelefonie laufen hier zusammen, hinzu kommen Antennen für Radio- und Fernsehprogramme. Die früher für den Besucherverkehr genutzten Flächen stehen seitdem leer.

Waren ursprünglich nur zwei Etagen in der Kanzel für Besucher vorgesehen, könnte zukünftig noch das Dach als Aussichtsplattform hinzukommen. Quasi aus zwei mach drei. Hierfür wären einige Umbauten erforderlich, wie etwa eine Brüstung am Rand. „Vorstellbar wäre, so etwas aus Glas zu fertigen“, erläutert Peer Kollecker von der Deutschen Funkturm. Bleiben müsste ein Kran, mit dem die Techniker Lasten auf den Turm befördern, die nicht in die Aufzüge passen.

Eben diese sind auch einer der Knackpunkte. Drei gibt es, zwei waren für das Publikum bestimmt, einer für die Feuerwehr. Wer heute nach oben will, nimmt den letztgenannten. Denn in den anderen beiden Schächten testet ein renommierter Aufzugshersteller seine Produkte. Alle drei Anlagen müssten ausgetauscht werden, um aktuellen Sicherheitsanforderungen zu genügen. Zusätzlich wäre die gesamte technische Gebäudeausstattung auf aktuelles Niveau zu bringen. Eine Machbarkeitsstudie der Deutschen Funkturm hat einen Investitionsbedarf von knapp 50 Millionen Euro errechnet, um das denkmalgeschützte Gebäude wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Summe beinhaltet auch einen neuen, größeren Empfangsbereich, in dem die Sicherheitskontrollen stattfinden können. Denn diese gab es bei Eröffnung des Turms in der heutigen Form noch nicht.

Die ehemaligen Etagen von Diskothek und Restaurant atmen die Atmosphäre eines Rohbaus im Wartestand. Leere Stockwerke, in denen hüfthohe Kabeltrommeln und sonstiges vereinsamtes Baumaterial auf den Abtransport warten. Unverkleidete Stahlträger führen zu den Fenstern, die offensichtlich nur noch sehr selten Besuch von Fensterputzern bekommen. Deren Scheiben wären durch feuerfeste Ausführungen zu ersetzen, sollte der Europaturm – so die offizielle Bezeichnung – für Publikumsverkehr ertüchtigt werden. In der Restaurantetage ist eine Rille im Boden zu sehen, welche um die gesamte Kanzel läuft. Der äußere Teil der Plattform drehte sich um die eigene Achse, einmal pro Stunde. Gut möglich, dass es wieder so weit kommt. „Die Anlagen sind noch vorhanden. Nach unserer Einschätzung lassen sie sich mit überschaubarem Aufwand in Gang setzen“, sagt Kollecker.

Oberbürgermeister Peter Feldmann hält die Idee, den Turm langfristig wieder für das Publikum zu eröffnen, für eine „begeisternde Idee“. „Er war immer auch als öffentliches Gebäude konzipiert und sollte es wieder sein“, sagt das Stadtoberhaupt. Mit Freude erinnerten sich die Bürger heute noch an ihre Besuche in luftiger Höhe. Der Bund hat zugesagt, die Hälfte der Finanzierung zu übernehmen. Um die anderen 25 Millionen bemüht sich Feldmann beim Land. „Wir als Stadt können diese Summe unmöglich stemmen“, erklärt der Oberbürgermeister.

Er sieht das Land aufgrund des Denkmalschutzes und der übergeordneten Bedeutung des Gebäudes in der Pflicht. „Wir unterhalten uns über den zweithöchsten Fernmeldeturm der Republik – oder eigentlich sogar um den höchsten“, sagt Feldmann. Zwar überragt das Berliner Pendant den Ginnheimer Turm um gut 30 Meter. Das allerdings nur, weil die Hauptstädter eine längere Fernsehantenne draufsetzten. Aber verkannt zu sein, ist offensichtlich das Schicksal des Turmes. Zwar spricht der Volksmund gerne vom „Ginnheimer Turm“ oder „Sparschel“, genau genommen liegt selbiger aber auf Bockenheimer Gemarkung.

Text: Ulf Baier
Fotos: Stefan Maurer, Holger Menzel



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