Vorsprung Frankfurt - Mohamed Bourouissa mit dem Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2020 ausgezeichnet

Mohamed Bourouissa mit dem Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2020 ausgezeichnet

Kunst
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Mohamed Bourouissa erhält den Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2020. Der französisch-algerischen Künstler wird für die Ausstellung „Free Trade“ ausgezeichnet.

Mohamed Bourouissa (geb.1978) wurde am Montag, 14. September 2020, mit dem renommierten und mit 30.000 britischen Pfund dotierten Preis ausgezeichnet. Die Bekanntgabe erfolgte im Rahmen einer Online-Präsentation durch die Photographers’ Gallery in London. Der begleitende Film, bot als Einstimmung einen Überblick über die Geschichte des Photography Prize, bevor die Arbeiten von Bourouissa und den drei anderen diesjährigen Finalisten Anton Kusters, Mark Neville und Clare Strand vorgestellt wurden. Im Anschluss wurde der Gewinner bekanntgegeben.

Den Link zum Film finden Sie hier: https://youtu.be/N2qZYrUcdzM

Der in Paris lebende Fotograf Bourouissa widmet sich in seinen Projekten vorwiegend der Darstellung von marginalisierten Gesellschaftsgruppen und benachteiligten Menschen. Er wurde von der Jury für seine spektakuläre Installation „Free Trade“ ausgezeichnet, die erstmals im Rahmen des Festivals „Rencontres de la photographie“ in einem Monoprix-Supermarkt in Arles (Frankreich) gezeigt wurde und einen umfassenden Überblick seiner Projekte der letzten 15 Jahre bot.

Bourouissa nutzt für seine Arbeiten unterschiedliche Medien wie Fotografie, Video, Malerei und Skulptur. In seinen Projekten widmet er sich vor allem der Untersuchung sozioökonomischer Prozesse sowie unsichtbarer Spannungen zwischen verschiedenen sozialen Milieus und den damit einhergehenden kulturellen Spaltungen. „Free Trade“ wirft einen umfassenden Blick auf die Beziehung zwischen Individuen und den komplexen Systemen von Märkten und Kapital. Darüber hinaus reflektiert die Installation historische und soziale Einflüsse auf die Ästhetik, von der Kunstgeschichte bis hin zur Rapkultur. 
Teil der Ausstellung ist „Périphérique“ (2005-2008), eines der ersten Projekte von Bourouissa, das mit gängigen Stereotypen von Jugendlichen in den berüchtigten Banlieues von Paris bricht. Gezeigt werden zudem ein Projekt, das die Praxis des Zigarettenschmuggels in einer Pariser U-Bahnstation dokumentiert, sowie eine Arbeit aus Polaroid-Aufnahmen von Menschen, die beim Diebstahl von Alltagsgegenständen aus einem Supermarkt erwischt wurden. In einem späteren Projekt schafft Bourouissa mithilfe von „Augmented Reality“ virtuelle Skulpturen, um das vergessene und gesichtslose ‚Heer von Arbeitslosen‘ darzustellen.

„Temps Mort“ (2009) zeigt den Tagesablauf eines Gefangenen, dessen einzige Verbindung zum Künstler ein Handy ist. Das Video vermittelt den feinfühligen Austausch zwischen den beiden Individuen – und zugleich die wachsende Diskrepanz zwischen einem Leben in Gefangenschaft und dem Leben in Freiheit.

„Bourouissa scheint sich sowohl der Erwartung, dass seine Werke die Banlieues möglichst authentisch abbilden sollen, als auch der Tatsache bewusst zu sein, dass sie weit entfernt von der Welt, die sie zeigen, auf dem Kunstmarkt gekauft und verkauft werden“, schreibt Cécile Bishop im Ausstellungskatalog. „Durch seine Arbeit lenkt er den Umlauf von Bildern (und Geld) so um, dass seine Subjekte zu aktiven Teilnehmern bei der Erschaffung – und dem Verkauf – von Kunstwerken werden.“

Für die Ausstellung in der Photographersʼ Gallery werden fünf Projekte aus dem umfangreichen Werk „Free Trade“ präsentiert, darunter „Nous Sommes Halles“ (2003-2005 in Zusammenarbeit mit Anoush Kashoot), „Périphérique“ (2005-2008), „Temps Mort“ (2009), „Shoplifters“ (2014-2015) und die Augmented Reality-Arbeit „Si Di Kubi“ (2017). Bourouissa selbst sagt über seine Arbeit: „Die Kunstgeschichte, wie sie mir während meiner Schulzeit vermittelt wurde, enthielt weder Aspekte meiner Heimatkultur noch waren Spuren oder Einflüsse der Menschen um mich herum erkennbar. Ich wollte deshalb versuchen, meine kulturelle Herkunft in die Kunstgeschichte einzubringen. Für mich geht es grundsätzlich um Integration – wie wir unsere eigene Geschichte in die Geschichtsbücher einfließen lassen können.“

Der Preisträger wurde von der Jury des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2020 ausgewählt. Sie setzt sich zusammenaus: 
Martin Barnes, Senior Curator, Photographs, Victoria and Albert Museum, London; Melanie Manchot, Künstlerin und Fotografin, London; Joachim Naudts, Kurator und Editor, FOMU Foto Museum, Antwerpen; Anne-Marie Beckmann, Direktorin, Deutsche Börse Photography Foundation, Frankfurt. Brett Rogers, Direktorin, The Photographers’ Gallery, London, ist weiterhin Jury-Vorsitzende ohne Stimmrecht. 

Brett Rogers OBE, Direktorin, The Photographers’ Gallery und Juryvorsitzende, sagte: „Ich gratuliere Mohamed Bourouissa. Seine bemerkenswerte Ausstellung, die erstmals 2019 in Arles zu sehen war, hat sowohl Kritiker als auch ein breites Publikum begeistert. Sie präsentierte einen eindringlichen Blick auf die Mechanismen der Macht und ihre Auswirkungen auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Ich möchte auch allen anderen Finalisten gratulieren. Es ist unmöglich, bei der diesjährigen Auszeichnung die Covid-19-Pandemie unbeachtet zu lassen, da sie viele tief verwurzelte soziale, wirtschaftliche, rassische und politische Ungerechtigkeiten sichtbar gemacht und verstärkt hat. 
In einer Zeit, in der wir bestehende Systeme und Werte überdenken, erscheint es besonders angebracht, die vielen Künstler zu würdigen, die uns dazu auffordern nicht nur unsere Weltanschauung zu hinterfragen, sondern auch die sich daraus ableitenden Maßnahmen in Frage stellen. Das gilt ganz besonders für die diesjährigen Finalisten, deren Projekte – sowohl individuell als auch insgesamt – wahrhaftige Zeugnisse ihrer Zeit sind. Der frühere Finalist Robert Adams, sagte 2004 über seine Mitnominierten: ‚Keine Konkurrenten. Vielmehr vereint im Bestreben, Bürger einer gemeinsamen Welt zu sein‘. Es sind Worte, die heute so passend sind wie damals. Wir sind den Künstlern zutiefst dankbar für ihr bemerkenswertes Talent, ihre Offenheit, ihre Großzügigkeit und ihr Wissen.“ 

Anne-Marie Beckmann, Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation, sagte: „Wir freuen uns sehr, den Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2020 an Mohamed Bourouissa zu verleihen, dessen Arbeit nicht nur inhaltlich ausgesprochen relevant und aktuell ist, sondern auch bemerkenswert innovativ und ansprechend im Umgang mit dem Medium Fotografie. Seit Beginn erkennt der Deutsche Börse Photography Foundation Prize die große Bedeutung, die Fotografie und Fotografen bei der Betrachtung, Reflektion und dem Mitgestalten der Welt spielen. Wir sind stolz auf dieses Vermächtnis, mutige, innovative und eigenständige Arbeiten zu erkennen und auszuzeichnen. Ebenso stolz sind wir nach wie vor auf die Bandbreite der teilnehmenden Künstler, die kaum größer sein könnte. 

Vorausblickend scheint es angebracht, diesen Augenblick zu nutzen, um zu reflektieren, wie sich der Preis anlässlich seines 25-jährigen Bestehens im kommenden Jahr 2021 anpassen und weiterentwickeln kann. Inspiriert durch intensive Diskussionen der diesjährigen Jury wollen wir eine offene und sachkundige Auseinandersetzung mit der Rolle des Preises anregen und darüber, welche Überlegungen berücksichtigt werden müssen, um den Anforderungen einer sich rasch verändernden Welt weiterhin gerecht zu werden. Wir kehren daher zurück zu der Ausgangsfrage: Wie kann der Preis als Unterstützung und sichtbare, effektive Plattform für die Fotografen bestmöglich gestaltet werden? Wir freuen uns auf die nächsten 25 Jahre.“

Die Arbeiten der Finalisten 2020, Mohamed Bourouissa, Anton Kusters, Mark Neville und Clare Strand, bleiben in einer von Anna Dannemann kuratierten Präsentation bis zum 20. September 2020 in The Photographers’ Gallery in London ausgestellt.

Die Ausstellung hebt den vielfältigen und innovativen Charakter der individuellen Entstehungspraktiken hervor und beleuchtet zugleich gemeinsame künstlerische, soziale und politische Themen, die einen breiten Einfluss auf die zeitgenössische Fotografie haben. In der Photographers’ Gallery ist die Ausstellung in vier Künstlerräume eingeteilt, sodass Besucher sich in einem jeweils eigenen Bereich eingehend mit den Finalisten-Projekten auseinandersetzen können, jedoch auch zur Betrachtung der Werkgruppen im Dialog angeregt werden. Wenngleich es sich um alleinstehende Projekte handelt, zeigen alle Arbeiten durch ihren reflektierenden Umgang mit dem Medium und der jeweiligen Thematik die einzigartige Fähigkeit der Fotografie: zu offenbaren, was oft unsichtbar bleibt, in Vergessenheit gerät oder im Verborgenen liegt. 

Die renommierte Auszeichnung, die 1996 von der Photographers’ Gallery ins Leben gerufen wurde und seit 2016 gemeinsam mit der Deutsche Börse Photography Foundation vergeben wird, geht nun in ihr vierundzwanzigstes Jahr. Sie wird jährlich an einen lebenden Fotokünstler beliebiger Nationalität vergeben, der im Rahmen einer Ausstellung oder Publikation in Europa in den letzten zwölf Monaten einen bedeutenden Beitrag zum Medium Fotografie geleistet hat. 

Weitere Informationen finden Sie auf der Website tpg.org.uk 



PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von VORSPRUNG!

AnzeigeHarth und Schneider 250 x 300px

Anzeige

werbung1 100Euro