Vorsprung Frankfurt - Schreiben gegen das Vergessen

Schreiben gegen das Vergessen

Politik
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„Die schreckliche Zahl von sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden ist kaum zu vermitteln. Es handelt sich nicht um einmal sechs Millionen, sondern um sechs Millionen einzelne Schicksale. Über 30.000 Jüdinnen und Juden waren in der Zeit vor dem Holocaust Bürgerinnen und Bürger Frankfurts. 11.908 von ihnen sind ermordet worden. Nach der Shoa blieben weniger als 200 Jüdinnen und Juden in unserer Stadt übrig. Auch unsere Stadt, deren positive Entwicklung über die Geschichte Frankfurts hinweg in so hohem Maße von dem Wirken jüdischer Familien geprägt wurde, ist an ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern schuldig geworden. Frankfurt am Main hat in der Zeit des dunkelsten Kapitels unserer Stadt die eigene Identität verraten und war aktiver Teil bei der Entrechtung, Vertreibung und Ermordung vieler jüdischer Frankfurterinnen und Frankfurter. An sie alle denken wir, ihnen wollen wir auch die Anteilname und Respekt zollen, den sie verdient haben“, sagt Bürgermeister und Kirchendezernent Uwe Becker.

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Bei der Aktion „Schreiben gegen das Vergessen“, welche die Frankfurter Künstlerin Margarete Rabow initiiert hat, werden alle Namen der ermordeten Frankfurter Jüdinnen und Juden mit Kreide am Mainkai auf die Straße geschrieben. Aufgrund der Wetterverhältnisse musste die Aktion am Mittwoch, 26. August, ins Haus am Dom verlegt werden. Rabow erläutert: „Uns beschäftigen die Fragen, wie Gedenken aussehen soll oder könnte, wenn bald alle Zeitzeugen verstorben sind. Unser Gedenkprojekt soll so viele Menschen wie nur möglich erreichen und sie binden, um das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen sichtbar zu machen. Dabei lassen wir uns auch nicht vom Wetter beeindrucken, sondern verlegen unsere Aktion und machen weiter.“

Alle aufgeschriebenen Namen werden mit einer analogen 16-mm-Filmkamera aufgenommen. 24 Namen pro Sekunde ergeben dann den Film mit dem Titel „11.908“. Die Premiere von „11.908“ und der Dokumentation zum Film ist für den Jahrestag des Novemberpogroms von 1938, am 9. November, oder zu Jom haSchoa'h 2021 im „Mal Seh´n Kino“ vorgesehen. Nachfolgend wird es einige Schulvorstellungen im Kino geben.

„Die Aktion ‚Schreiben gegen das Vergessen‘ rüttelt wach und zeigt auf, was es bedeutet, so viele Menschen im industriellen Massenmord des Nationalsozialismus umgebracht zu haben“, sagt Becker. „Sie schafft in einer Zeit, in der die Zeitzeugen weniger werden, gleichzeitig aber auch der Antisemitismus wieder wächst, einen Zugang, um die unvorstellbaren Verbrechen des Nationalsozialismus zu vermitteln, um zu mahnen und dafür einzustehen, dass sich vergleichbares Unrecht und Verbrechen nie wiederholen darf.“

Am Sonntag, 30. August, findet ebenfalls im Haus am Dom die Abschlussveranstaltung statt, um gemeinsam im Podiumsgespräch zurückzublicken. Es werden Bürgermeister Becker, Werner Hanak vom Jüdischen Museum Frankfurt, Kurt Grünberg vom Sigmund Freud Institut Frankfurt und die Künstlerin Margarete Rabow teilnehmen. Die Verantsaltung wird auch online übertragen.



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