Vorsprung Frankfurt - Wie Corona-Vorschriften zu Frankfurter Stadtrecht werden

Wie Corona-Vorschriften zu Frankfurter Stadtrecht werden

Politik
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Corona ändert unser Leben. Maskenpflicht, Abstandsgebote sowie Schließungen von Einrichtungen sollen verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreitet und das Gesundheitssystem zusammenbricht. Hierzu erlassen Land und die Stadt Vorschriften, die sich als Ge- und Verbote an die Bürger richten.

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Sollen neue hinzu kommen oder sind bestehende zu verlängern, erlässt die Kommune eine sogenannte Allgemeinverfügung und veröffentlicht diese in ihrem Amtsblatt. Erst dann ist gültiges Frankfurter Stadtrecht geschaffen. Dies muss pünktlich, rechtssicher und für den Bürger nachvollziehbar geschehen. Diese Arbeit erledigen in der Stadtverwaltung Susana Pletz, Daniel Leunig und Tobias Alex. Ein Gespräch mit ihnen über Herausforderungen in besonderen Zeiten.

Wie findet eine Allgemeinverfügung ihren Weg ins Amtsblatt?
PLETZ: Mein Kollege Daniel Leunig aus dem Rechtsamt entwirft den Text und schickt ihn mir als Vorlage. Das kann bereits vor den Sitzungen des Verwaltungsstabes geschehen und ich habe danach nur die Änderungen einzuarbeiten. Manches entsteht aber auch erst, nachdem das Gremium sich getroffen hat. Das geschieht in normalen Fällen im Zwei-Wochen-Rhythmus, kann aber auch öfter sein. Mein Kollege Tobias Alex und ich vom Hauptamt und Stadtmarketing koordinieren den Ablauf, lesen Korrektur und kümmern uns um Druck und Veröffentlichung dieser Sonderamtsblätter.

ALEX: Das bedeutet Abstimmungen und Aufträge für die Druckerei, wofür die Stadt auch zusätzliches Geld ausgibt. Weiterhin müssen die Verfügungen im Schaukasten Bethmannstraße 3 aushängen, damit sie als öffentlich zugestellt gelten. Dann sind die neuen Bestimmungen weiterzugeben, damit sie in der Warn-App NINA erscheinen. Dieser Kommunikationsweg ist noch relativ jung. Um diese Aufgaben kümmere ich mich. Die Presseabteilung im Hauptamt und Stadtmarketing übernimmt dann die Veröffentlichung im Newsletter, in den sozialen Medien und auf http://www.frankfurt.de im Internet.

Warum reicht nicht die elektronische Veröffentlichung über die Medien im Internet?
LEUNIG: Hierfür gibt es einen rechtlichen Grund. Die Stadt Frankfurt hat in ihrer Hauptsatzung geregelt, dass es sich bei dem Amtsblatt um das offizielle Verkündungsorgan handelt. Eine Veröffentlichung im Internet reicht daher nicht. Dafür gibt es durchaus Gründe: Im Netz lassen sich Texte löschen oder verändern, aber rechtlich entscheidend ist der tatsächliche Wortlaut. Auch könnte theoretisch im Fall von besonderen Katastrophen der Zugriff auf das Internet erheblich erschwert sein. Daher ist die gedruckte Fassung entscheidend.

Worin liegen die aktuellen Herausforderungen?
ALEX: Die Abläufe haben sich verdichtet und die Taktung ist höher. Wir müssen uns darum kümmern, dass das Sonder-Amtsblatt fristgerecht erscheint, denn man kann nicht einfach auf den nächsten Termin warten. Rechts-, Gesundheits- und Ordnungsamt speisen ihre Anregungen in den Verwaltungsstab ein. Wir wiederum müssen mit vielen Hierarchieebenen in der Verwaltung kommunizieren. Insgesamt geht es darum, schnell und rechtssicher zu arbeiten.

PLETZ: Man muss schneller und flexibler agieren. Zu Anfang der Corona-Pandemie stellte sich immer wieder die Frage, wer ist einzubinden und wer sind die Ansprechpartner bei Unstimmigkeiten. Die ersten Sonderausgaben – insgesamt gibt es bisher zehn – waren schon besonders hart. Mittlerweile haben sich die Abläufe jedoch eingespielt. Dabei hat deutlich geholfen, dass wir drei einen neuen Prozess entwickelt haben. Gerne liegt der Teufel jedoch im Detail. Ich erinnere mich an einen Fall von Sperrgebieten, die nicht nur im Text beschrieben waren, sondern zusätzlich auch mit Karten. In diesen waren die Grenzen der Sperrgebiete teilweise ungenau eingezeichnet, was wohl am Zeitdruck lag. Dann mussten wir uns eindeutige Grafiken besorgen, natürlich mit dem Redaktionsschluss im Nacken.

LEUNIG: Meine Aufgabe liegt darin, zu überlegen, wie man die Vorgaben des Verwaltungsstabes rechtssicher umsetzt. Das bedeutet, juristische Fehlerquellen auszuschalten. Die Schwierigkeit: Wir betreten juristisches Neuland, denn so etwas hatten wir noch nicht gehabt. Es gab zwar Pandemien in der Vergangenheit, aber vieles, was wir machen, war juristisch noch nicht geklärt. Daher sind auch immer aktuelle Entscheidungen der Gerichte zu berücksichtigen. Die Vorgaben ergeben sich aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz, dem Infektionsschutzgesetz und weiteren Vorschriften. Es bedeutet einerseits Abstimmungen mit anderen Ämtern und im Gespräch zu definieren, was realistisch und sinnvoll ist, also welche Maßnahmen von der Schutzwirkung der in Frage kommenden Vorschrift noch gedeckt sind. Andererseits muss die städtische Allgemeinverfügung möglichst bestimmt sein, denn die Bürger müssen verstehen, wonach sie ihr Verhalten auszurichten haben. Das scheint uns insgesamt gut zu gelingen, denn die Stadt hat fast alle Gerichtsverfahren in Corona-Streitsachen gewonnen.

Viele Vorschriften, die in unser alltägliches Leben eingreifen, stammen vom Land. Sie stammen vom Corona-Kabinett, das sich nach den Konferenzen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin trifft. Was gibt es dann noch in Frankfurt zu regeln?
LEUNIG: Das Land regelt manches nicht ins Detail und beauftragt uns Kommunen, Entscheidungen zu treffen. Nächtliche Ausgangssperren beim Überschreiten bestimmter Inzidenzwerte sind hierfür ein gutes Beispiel. Dann gibt es Impulse im Verwaltungsstab, die aufgrund eigener Kenntnis der Besonderheiten in unserer Stadt entstehen. Aus diesen entwickeln sich dann auch Allgemeinverfügungen, wie etwa die Gebiete mit Maskenpflicht.

Die aktuelle Arbeitssituation bringt einiges an Mehrbelastungen mit sich. Wenn Sie einen Wunsch offen hätten, wie würde dieser lauten?
PLETZ: Vieles hat sich gefunden, schließlich leben und arbeiten wir seit Frühjahr mit Corona. Was anfänglich schwer war, hat sich durch Arbeit an den Prozessen und Verständnis für die Rolle des anderen gut eingespielt. Insofern ist das auch eine positive Erfahrung, die einen erfüllt. Aber ja, mehr Planbarkeit und Vorhersehbarkeit wären sicherlich wünschenswert. Allerdings ist das ein hohes Ziel angesichts der Schnelligkeit, mit der Entwicklungen verlaufen.

ALEX: Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn wir nicht alles auf den letzten Drücker bekämen. Andererseits: Es macht Spaß zu sehen, wie Verwaltung auch arbeiten kann und daran mitzuwirken, wie die Stadt Frankfurt die Lage meistert. Das motiviert.

LEUNIG: Zu sehen, wie wir drei an einem Strang ziehen, ist sicherlich eine gute Erfahrung. Wenn ich an die nächst höhere Ebene der Rechtssetzung denke, wäre es wünschenswert, wenn der Verordnungsgeber mehr die praktische Ebene der Umsetzung im Blick hätte.

Interview: Ulf Baier

Fotos Das Amtsblatt-Team: Daniel Leunig, Tobias Alex und Susana Pletz. Foto: Stadt Frankfurt/Maik Reuß



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