Vorsprung Frankfurt - Vortrag im Plenarsaal erinnert an Beginn der Auschwitzprozesse vor 60 Jahren

Vortrag im Plenarsaal erinnert an Beginn der Auschwitzprozesse vor 60 Jahren

Das Podium (von links): Prof. Klaus Günther, Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Annette Weinke (Moderation), Alexandra Kemmerer, Juristin und Publizistin. Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel

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Am Dienstag, 12. Dezember, haben renommierte Juristen und Historiker auf Einladung von Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner und Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig im Plenarsaal der Stadtverordnetenversammlung über die Auschwitzprozesse, die vor 60 Jahren an diesem Ort eröffnet wurden, diskutiert.

Die Veranstaltung ging unter dem Titel „Ein Volk von Gehilfen? Politische Hintergründe einer Argumentationsfigur im Strafrecht“ besonders der Frage nach, welche Widerstände in Justiz und Gesellschaft der jungen Bundesrepublik verhinderten, dass bestehende Reformansätze zur Aburteilung nationalsozialistischer Massenverbrechen realisiert wurden.

Der Abend vereinte einen Vortrag von Prof. Klaus Günther mit einer Diskussion des Referenten mit den Fachleuten Prof. Moritz Vormbaum, Alexandra Kemmerer und Prof. Annette Weinke (Moderation). Im Fokus steht die Frage nach historischen Widerständen in Justiz und Gesellschaft zur Aburteilung nationalsozialistischer Massenverbrechen.

Der Prozessauftakt im Plenarsaal habe in der bundesrepublikanischen Gesellschaft der 1960er Jahren einen lange verdrängten Prozess der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und der Frage der Mittäterschaft oder des Duldens von Verbrechen durch Wegsehen endlich in Gang gebracht, sagte Stadtverordnetenvorsteherin Arslaner und fügte hinzu: „Dafür dürfen wir dem damaligen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer noch heute dankbar sein. Bauers unbeirrbare juristische Arbeit gegen viele Widerstände in Justiz, Politik und Zivilgesellschaft verdient Hochachtung und ist uns eine Mahnung, unsere Demokratie auch jetzt in Zeiten wieder erstarkenden rechten Gedankenguts eisern zu verteidigen.“ 

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Hartwig sagte: „Die Frankfurter Auschwitzprozesse waren ein Durchbruch in der deutschen Demokratiegeschichte, der schmerzhaft und gegen Widerstände erkämpft wurde. Erstmals verhandelte ein deutsches Gericht die Verbrechen des Holocaust und verlieh den in der Verfassung verbrieften Grundrechten juristische Relevanz. Dies ist in erster Linie das Verdienst des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer. In Zeiten, in denen Forderungen nach einem ‚Schlussstrich‘ hinsichtlich der deutschen Menschheitsverbrechen und offener Judenhass und Rassismus erneut unsere Demokratie bedrohen, ist die Erinnerung an ihn und seine Verdienste von großer Bedeutung.“

Prof. Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Insitituts, sagte: „Der Auschwitz-Prozess und seine Rezeption sind heute Gegenstand historischer Betrachtung. Am Fritz Bauer Institut beschäftigen wir uns unter anderem mit der Frage, in welchem politischen und gesellschaftlichen Umfeld das Verfahren stattgefunden hat. 60 Jahre später herrscht weitgehend Unverständnis darüber, dass nur wenige NS-Täter rechtlich belangt wurden. Der gesellschaftliche Blick auf die Verbrechen ist heute ein anderer geworden.“

Zu den Referenten

  • Prof. Klaus Günther ist Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Fritz Bauer Instituts.
  • Prof. Moritz Vormbaum ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Internationales Strafrecht am Institut für Kriminalwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
  • Alexandra Kemmerer ist Juristin, Publizistin und Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und leitet das Berliner Büro des Instituts.
  • Prof. Annette Weinke ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Die Frankfurter Auschwitzprozesse waren die ersten großen Strafprozesse in der Bundesrepublik Deutschland, die sich mit den in den deutschen Konzentrationslagern begangenen Verbrechen befassten. Auf Antrag des Hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer wurde der Gerichtsstand dabei nach Frankfurt verlegt. Am 20. Dezember 1963 wurde die Verhandlung im Plenarsaal der Stadtverordnetenversammlung eröffnet, ab dem Jahr 1964 im Saalbau Gallus fortgeführt.

Auf der Anklagebank saßen 20 ehemalige SS-Leute und Funktionshäftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz. 18 von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, zwei freigesprochen. In der deutschen Öffentlichkeit wurde der Prozess mit großer Skepsis verfolgt, da er der weitverbreiteten Forderung nach einem „Schlussstrich“ diametral entgegenstand.

Die Veranstaltung fand in Kooperation der Stadtverordnetenvorsteherin und des Dezernats Kultur und Wissenschaft mit dem Fritz Bauer Institut statt.

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Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner. Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel

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David Dilmaghani, Büroleiter des Dezernats für Kultur und Wissenschaft. Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel

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Ein Mann im Publikum meldet sich bei der Diskussion zu Wort. Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel

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Das Podium (von links): Prof. Klaus Günther, Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Annette Weinke (Moderation), Alexandra Kemmerer, Juristin und Publizistin. Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel



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