Vorsprung Frankfurt - Lancet-Kommission: Empfehlungen zur Versorgung von Menschen mit Autismus

Lancet-Kommission: Empfehlungen zur Versorgung von Menschen mit Autismus

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Eine Kommission der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet hat Empfehlungen für eine internationale Reform der Autismusbehandlung formuliert.

Die Kommission unter Beteiligung von Prof. Christine M. Freitag vom Universitätsklinikum Frankfurt fordert ein globales Modell, das personalisierte Therapien und Betreuungsansätze ermöglicht, und das den Bedürfnissen der Betroffenen in allen Lebensphasen gerecht wird.

Rund 78 Millionen Menschen leben weltweit mit Autismus. Die meisten von ihnen erhalten keine angemessene Unterstützung oder Betreuung. Dazu gehören insbesondere diejenigen, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen oder die in Regionen mit begrenzten Ressourcen leben, in denen Autismus und andere neurologische Entwicklungsstörungen stigmatisiert oder übersehen werden. Die Expertinnen und Experten der Kommission sprechen sich für eine gerechtere Versorgung und soziale Gerechtigkeit für Menschen mit Autismus aus. Sie empfehlen eine Koordinierung und Forcierung auf globaler Ebene, um Behandlung und Versorgung von Menschen mit Autismus sowie die Forschung zukünftig besser aufzustellen. Priorität müssen die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen haben. Auch Familienmitglieder, Mediziner, Gesundheitsdienstleister und weitere Unterstützer sollen in allen Phasen kontinuierlich einbezogen werden.

„Autismus ist eine heterogene, chronische Beeinträchtigung, die sich im Laufe des Lebens verändert. Menschen mit Autismus sind vielfältig und unterscheiden sich individuell in ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“, erklärt Prof. Christine M. Freitag, Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Frankfurt. „Deshalb ist es wichtig, dass wir individualisierte Behandlungsoptionen etablieren, an denen das Umfeld der Patienten aktiv beteiligt ist. Wir bewegen uns damit weg von den Kernsymptomen der Diagnose hin zum Fokus, die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien zu verbessern. Individuelle Bedürfnisse und Umstände erfordern individuelle Therapieansätze, die in verschiedenen Lebensphasen variieren und kontinuierlich angepasst werden sollen.“

Investitionen und priorisierende Forschung

Die Kommission empfiehlt mehr nationale und internationale Studien, um den Rahmen für den empfohlenen Versorgungsansatz zu schaffen. Regierungen, soziale Sektoren, Gesundheitsdienstleister sowie Bildungsinstitutionen sollen kooperieren. „Ziel ist es, nationale und internationale Infrastrukturen zu entwickeln, die den Betroffenen positive, lebensverändernde Unterstützung anbieten“, erklärt Prof. Freitag. „Die Kommission prognostiziert diesen Effekt, wenn die weltweite Forschung ihre Kräfte auf evidenzbasierte praktische Intervention konzentriert und Versorgungssysteme entwickelt, die die individuellen Unterschiede innerhalb des Autismus-Spektrums berücksichtigen.“

Starke Gemeinschaft dank Neurodiversität

Die Kommission bekräftigt in ihrer Erklärung auch den Wert der Neurodiversität bei Menschen mit Autismus – also die Akzeptanz neurobiologischer Unterschiede als eine natürliche menschliche Variabilität, die die soziale Gemeinschaft bereichert und stärkt. Gleichzeitig schlägt die Kommission vor, die Bezeichnung „tiefgreifender Autismus“ für Menschen mit Autismus zu verwenden, die nicht in der Lage sind, für sich selbst einzutreten, und die eine Rundumbetreuung benötigen. Durch die Definition soll die internationale Forschungslandschaft ermutigt werden, den Bedürfnissen dieser gefährdeten und unterversorgten Bevölkerung Priorität einzuräumen. Die Autoren haben die Einstufung von tiefgreifendem Autismus anhand von Datenbanken validiert und stellten fest, dass sie auf 18 bis 48 Prozent der Menschen mit Autismus zutreffen würde.

Die The Lancet-Kommission

Die Kommission wurde 2018 von internationalen Expertinnen und Experten gebildet, darunter wissenschaftliche tätige Ärztinnen/Ärzte, Psychologinnen/Psychologen, Pädagogen, politische Berater, Betroffene und Eltern von Kindern mit Autismus. Ihr Bericht beschreibt wesentliche Maßnahmen für die nächsten fünf Jahre, um weltweit den aktuellen Bedürfnissen von Menschen mit Autismus und ihren Familien gerecht zu werden und eine Grundlage für eine bessere Versorgung und Behandlung in der Zukunft zu schaffen. Der Bericht legt einen neuen Versorgungsstandard fest, den alle Dienste und Sozialfürsorgesysteme weltweit übernehmen sollen, um Menschen mit Autismus und ihr Umfeld bestmöglich zu unterstützen.
Am 07. Dezember 2021, 17:00 Uhr, präsentiert The Lancet-Chefredakteur Richard Horton die Kommission und ihre Arbeit in dem Webinar The Lancet Commission on the future of care and clinical research in autism. Das 90-minütige Webinar ist kostenfrei. Eine Registrierung ist erforderlich unter register for the webinar here

Publikation:

Lord, C., Charman, T., Havdahl, A., Carbone, P., Anagnostou, E., Boyd, B., Carr, T., de Vries, P. J., Dissanayake, C., Divan, G., Freitag, C. M., Gotelli, M. M., Kasari, C., Knapp, M., Mundy, P., Plank, A., Scahill, L., Servili, C., Shattuck, P., Simonoff, E., Singer, A. T., Slonims, V., Wang, P. P., Ysrraelit, M. C., Jellett, R., Pickles, A., Cusack, J., Howlin, P., Szatmari, P., Holbrook, A., Toolan, C., McCauley, J. B.; The Lancet Commission on the future of care and clinical research in autism. The Lancet, 2021, December 06. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01541-5



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